Was manche nur mit ihrer Partnerin leben, leben „Bros“ auch miteinander.

Intimität und Nähe unter Männern – in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Thema, das oftmals mit Scham, Angst und Unsicherheit belegt ist. Doch immer mehr Männer trauen sich wirklich liebevolle Beziehungen zu anderen Männern zu führen – und führen damit wahre Männerfreundschaften.

In einer Bromance sprechen Männern nicht nur über Fußball und die Arbeit. Sie teilen untereinander ihre Gefühle, sind füreinander da und vertrauen sich gegenseitig auch die verletzlichen und intimen Details ihrer Innenwelt an. Seien es die Ängste und Sorgen oder lustvollen Phantasien – eine Bromance ist eine innige Beziehung zwischen zwei Männern, die von Offenheit, Vertrauen und Berührbarkeit geprägt ist. Und damit ist nicht die sexuelle Ebene gemeint.

In meinem Elternhaus habe ich Intimität und Nähe unter Männern eigentlich beinahe vollständig vermisst. Wobei ich erst bemerkt hab, dass es mir gefehlt hat, als ich meine erste richtige Bromance begann. Was ich dabei erlebt habe und was ich unter dem Begriff „Bromance“ verstehe, möchte ich gern hier näher erläutern. Im Grunde genommen geht es um die Antwort auf die Frage wie nah ich andere Männer mental, emotional und körperlich an mich heranlasse?

 

Mentale Nähe ist die Ebene der Gedanken, Geschichten und Phantasien.

Manche Gedanken und Phantasien fallen eher in den Bereich der „Tabu-Zone“. Wir lernen früh als Kinder was noch als „ok“ und was als „beschämend, peinlich oder gar verboten“ abgetan wird.
In meiner Kindheit habe ich gelernt, dass es in Ordnung ist, wenn man blöde Witze über Frauen macht, aber über Sexualität und das andere Geschlecht wurde nicht gesprochen. Wenn das schon nicht zur Sprache kam, wie sollte ich dann bloß über meine pubertierenden Probleme mit den Männern aus meiner Familie sprechen? Für mich kam das nicht in den Sinn. Solche Gespräche wurden eher mit Freunden geführt, auch wenn meist eher unbeholfen und mit einem Gefühl der Angst für die eigene Unsicherheit oder Scham noch verurteilt zu werden. Meistens ging es aber gut.

Die Gefühlsebene 

Gefühle unter Männern kamen jedoch kaum zum Ausdruck in meinen jungen Jahren. Höchstens auf dem Fußballplatz und da hatte selbst Trauer einen Platz, auch wenn nur partiell. Doch wirkliche emotionale Nähe mit einem anderen Mann habe ich bis vor 5 Jahren nur bedingt gelebt. Sich mal ängstlich und unsicher zeigen, um Rat fragen oder einfach mal die Tränen fließen lassen. Welch Balsam für die Seele das für mich war, durfte ich die letzten Jahre oft erleben, mit diversen Männern. Die letzten 2 Jahre habe ich gar die wundervolle Erfahrung machen dürfen, dass ich mit einem Mann, der auch mein Vater sein könnte, all meine Gefühle zum Ausdruck bringen konnte und dabei wirklich angenommen wurde. Das schöne Gefühl der Nähe und Verbundenheit, das ich dabei erleben und bis in kleinste Details kennenlernen durfte, wünsche ich jedem Mann auf dieser Welt.

Sich an einer starken Schulter anlehnen, ist männlich und menschlich

Was eine einfache Umarmung oder starke Schulter, an der ich meinen Kopf anlehnen durfte, für Lebensenergie freisetzen kann, habe ich mir kaum ausmalen können. Ich kannte es schlichtweg nicht. Genau aus diesem Grund war mir echte Nähe und Intimität unter Männern wohl anfangs noch öfter suspekt und fühlte sich fremd an. Jedes einlassen, jedes hingeben und fallen lassen hat mir die Einsicht geschenkt, dass es vollkommen ok ist seinen Kopf als Mann auch mal auf die Brust eines anderen Mannes abzulegen, tief durchzuatmen und zu spüren, dass der andere Mann „da ist“. Eine jede solche Erfahrung hat meine eigenen Ängste und Schamgefühle Stück für Stück verschwinden lassen. Sie haben mir geholfen mich als Mann auch im Kontakt mit anderen Männern berührbar und sinnlich zu geben. Ich habe mir erlaubt „bei Sinnen zu sein“ – bewusst bei mir zu sein und zu verstehen, dass die vielen Ängste und Sorgen, die mich gehemmt haben in den Kontakt zu gehen, fast ausschließlich alte Konditionierungen waren, die ich durch die Glaubenssätze und das Verhalten der Männer während meiner Kinder- und Jugendzeit übernommen habe.

 Die „männliche“ Erziehung

„Männer weinen nicht“, „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, „Du Pussy“, „Das ist doch schwul“, „Du benimmst dich wie ein Mädchen“… womöglich sind dir solche Aussagen ebenfalls sehr wohl bekannt. Womöglich hast du auch erlebt, dass du für deine Trauer, Angst, Sinnlichkeit und Weiblichkeit belächelt, beleidigt und bekämpft wurdest. Womöglich wurde dir ebenfalls mehr Aufmerksamkeit geschenkt, wenn du dich „richtig, wie ein Mann“, benommen hast. Womöglich hast du dabei auch Irritationen gespürt und empfunden, dass an diesen Sätzen und Haltungen, etwas überhaupt nicht stimmt. Falls dem so ist, erging es dir, wie mir. Auch wenn ich das erst viele Jahre später bemerkte.

Erst durch eine tiefe Verbindung zu Männern, erfahre ich Männlichkeit

Heutzutage genieße ich die Nähe und Intimität zu Männern von Tag zu Tag mehr. Ich finde darin ganz viel Männlichkeit und zutiefst archaische Wesenszüge. Erst das tiefe Vertrauen zu anderen Männern und zu mir selbst ließ es zu, den Krieger in mir wirklich authentisch und gewaltfrei zu leben. Erst die Offenheit und Sinnlichkeit im Kontakt mit anderen Männern eröffnete mir die zahlreichen Erkenntnisse über den Liebhaber in uns. Die tiefe Verbundenheit untereinander erlaubt es mir mich wirklich verletzlich zu zeigen und Heilung mit anderen Männern zu erfahren.

Heutzutage weiß ich: All‘ das, und vieles mehr, ist in einer wahren Männerfreundschaft möglich.
Eine liebevolle Beziehung zu anderen Männern ist nicht schwul, sie ist nicht peinlich und erst recht braucht sich kein Mann dafür schämen. Ganz im Gegenteil. Echte Männerfreundschaft gehört zu einer gesunden und gelebten Männlichkeit dazu. Sie erfüllt männliche Bedürfnisse, macht glücklich und frei. Und vor allem bringt Nähe und Intimität Frieden in die Männerwelt. Dafür lebe ich.

In Liebe und Dankbarkeit

Dawid

P.S.: Ein Indianer kennt seinen Schmerz und teilt ihn würdevoll mit seinem Stamm. Aho.