Wie du mit dem Gefühlskompass besser durch den Dschungel deiner Gefühlswelt kommst

In diesem Beitrag möchte ich dir gern einen Gefühlskompass vorstellen, der sich wunderbar als Grundlage für ein besseres Verständnis der eigenen Gefühlswelt eignet und dir hilft die wilden und teils fremd erscheinenden Energien deines Geistes besser einzuordnen.

Dieser Kompass beinhaltet 5 Grund-Gefühle, die das Fundament deiner Gefühlswelt bilden, und zwar Angst, Wut, Trauer, Scham und Freude. Deine Gefühle sind alle eng mit deinen Gedanken verknüpft, vor allem deinen Glaubenssätzen und Einschätzungen, die du über die Welt triffst. Darum ordne ich jedem der 5 Gefühle auch die wesentliche Interpretation, also den Glaubenssatz zu, der das Gefühl im Kern in dir auslöst, und erläutere eine zentrale Aufgabe, die das Gefühl für dich hat. Zudem benenne ich die Licht- und Schattenaspekte, und erläutere diesbezüglich welche Eigenschaften im Verhalten der Menschen zu beobachten sind, wenn sie zu viel oder zu wenig jener Kraft verwenden und wobei dir jedes der 5 Grund Gefühle in deinem Leben helfen kann.

Natürlich dient ein solches Modell vor allem zur Orientierung und hat keinen Anspruch auf eine absolute Wahrheit. Ich kann allerdings aus eigener Erfahrung sagen, dass es sehr hilfreich ist sich eine solche Differenzierung der Gefühle immer wieder bewusst zu machen. Es kann dir dabei helfen eine tiefere und echtere Verbindung zu dir selbst und deinen Mitmenschen zu gewinnen und einen friedlichen Umgang mit deinen und den Gefühlen deiner Mitmenschen zu entwickeln.

Na, neugierig geworden? Dann schauen wir uns den Kompass doch mal genauer an.

Der Gefühls-Kompass

Fangen wir an mit der Angst – Die Kraft der Schöpfung

 

Diese Kraft empfinden die Menschen meistens als „furchtbar“. Sie entsteht durch genau diese Interpretation in Momenten, in denen wir nicht so wirklich wissen wie wir mit den Gegebenheiten gut und sicher umgehen können. Es sind meist jene Momente, die wir nicht als real annehmen können und für die wir (noch) keine guten Lösungen kennen. Es sind Momente der Unsicherheit und Ungewissheit. Im Grunde genommen ist es die Kraft, die entsteht, wenn wir uns dem Unbekannten widmen, weshalb sie ihre Verkörperung auch im Abenteurer findet. Wir feiern die Helden großartiger Kinofilme und die Menschen im realen Leben, weil sie den Mut haben ihr zu begegnen.

Wenn du in Momenten der Angst weder fliehst noch kämpfst und stattdessen innehältst und bleibst – passiert etwas Magisches.

Es ist als würde die Enge in deiner Brust zu einem Geburtskanal werden. Neue Ideen und Möglichkeiten, neue Perspektiven und Lösungen steigen in deinem Geist hervor und werden buchstäblich in dir geboren, wenn du mutig genug bist dieser Kraft zu begegnen und in ihr zu verweilen. Wenn du mutig genug bist ganz präsent in dem furchtbaren Moment bei dir zu bleiben und auf die Kreativität deines Geistes zu vertrauen. Diese schöpferische Kraft hilft uns Wege und Lösungen zu finden, wenn uns keine bekannt sind.

Ihr Kraftausdruck ist die Kreativität.

Sie offenbart sich als Kraft, wenn wir uns dem Unbekannten öffnen.
Und sie ist stark genug uns über die Schwelle zu tragen, um über uns hinaus zu wachsen.

Doch so viele Menschen scheinen wohl nur die Schattenseite der Angst zu kennen, nämlich die Lähmung, Isolation und den Stress. Es scheint ein gesellschaftliches Phänomen zu sein in einem Land, das so stark von der „Vernunft“ geprägt ist und glaubt sich durch „sichere“ Systeme von der Angst quasi befreien zu können. Das Rechtssystem, das Militär, die Krankenkasse etc. sollen uns ein sicheres Gefühl bereiten – und das tun sie auch zu einem gewissen Grad. Doch je mehr wir glauben uns in äußeren Systemen ausruhen zu können, umso stärker verlernen wir diese Kraft wirklich zu nutzen und somit unseren eigenen, menschlichen Fähigkeiten zu vertrauen.

Diese Kraft lädt dich ein über die Grenzen des bereits bekannten zu treten, deinen Horizont zu erweitern und dich weiterzuentwickeln. Es ist die Kraft, die jegliche Grenzen in deinem Geist weitet.
Sie ist der Schlüssel zum Urvertrauen und das Tor in eine Welt voller Lebendigkeit.

Trau‘ Dich, spring über deinen Schatten und du lernst die Magie dieser Kraft selbst kennen.

Habe Mut zu deiner Wut zu stehen und handle bedacht

Diese Kraft ist in ihrem Ausdruck unverwechselbar. Es ist das Feuer, das durch deinen ganzen Körper strömt und nach außen drängt. Wie ein Blitz, energetisiert es in Sekundenbruchteilen dein ganzes System. Das Adrenalin versetzt dich in Aktionsbereitschaft – du bist sofort bereit zu handeln. Enorme Energie wird freigesetzt. Diese Kraft entsteht durch die Interpretation „Das ist falsch.“ Indem du ganz klar Position beziehst und das, was aktuell passiert als „falsch“ einstufst, entsteht diese Kraft in dir. Dabei spielt es gar keine Rolle welche Position du beziehst und ob es der gesellschaftlichen Norm oder ethischen Grundsätzen entspricht. Entscheidend ist schlichtweg, dass du das, was passiert als falsch einstufst. Genau deshalb wirst du wütend. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass du weißt, was du willst, und was du als richtig empfindest. Du erkennst, dass die Situation nicht deinen Wünschen, Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht, was auch ganz intuitiv und unbewusst ablaufen kann.

Leider hat Wut einen enorm schlechten Ruf, weil die meisten Menschen mit Wut nur die zerstörerische Seite und verletzenden Erfahrungen in Verbindung bringen. Daher ist Wut zwar in gewissen Kontexten ok, doch bitte nur dort und auch bloß nicht zu viel davon. Ein gewisses Durchsetzungsvermögen beim Sport ist in Ordnung, ein aggressives Vorgehen in Verhandlungen ebenfalls. Doch handelt es sich hierbei um eine Frau, ist es nicht gern gesehen. Und auch wenn Kinder gegen andere Kinder oder Erwachsene Wutanfälle bekommen, wird heiß darüber diskutiert, ob das noch legitim sein kann.

Dabei ist Wut die Kraft, die dich vital und aktiv macht und Handlung ermöglicht.

Du brauchst Wutkraft um klar „Ja“ und „Nein“ sagen zu können, Entscheidungen zu treffen und eine klare Position zu beziehen. Du brauchst sie um für andere greifbar zu sein und um ernst genommen zu werden. Um klare Grenzen zu setzen und Ziele klar abzustecken. Um Projekte ins Leben zu rufen und auch um sie zu beenden.

Jedoch gibt es natürlich auch eine Schattenseite…

Wenn du zu viel Wut in dir trägst, wirst du cholerisch und neigst zu häufig zu Aggressionen. Auch Frustration hängt mit zu viel Wutkraft zusammen, wenn du versuchst die Mauer einzuschlagen, obwohl sie aus gehärtetem Stahl ist.

Im Gegensatz dazu macht zu wenig Wut dich entscheidungsunfähig, unklar und schwammig. Du wirst leicht zum Spielball anderer Menschen und machst es anderen leicht dich für ihre Ziele zu gebrauchen. So sind der Fremdbestimmung durch Andere wenig Grenzen gesetzt.
Drum übe dich zu deiner Wut zu stehen und bedenke: das richtige Maß ist entscheidend.

Fakt ist: Du brauchst diese Kraft in deinem Leben so sehr wie du Feuer und Strom brauchst.

Also schau, dass du sie gesund in dein Leben integrierst.

Trauer ist die Kraft der Annahme

 

Diese Kraft ist magisch. Sie reinigt dich von ungelösten, emotionalen Altlasten und grundsätzlich von allem, was deiner Entfaltung im Wege steht. Seien es deine Glaubenssätze, Konzepte oder alte Programmierungen. Sie ist wie das Wasser und der Regen, der die Luft nach einem heißen Sommertag klärt, klären die Tränen die dicke, angestaute Luft in dir. Wie der Fluss, der sich seinen Weg ins Meer sucht – hilft sie dir an allen scheinbar unlösbaren Widerständen vorbei zu kommen. Die Kraft der Trauer schafft enorme Tiefe und Weite in dir. Du kannst in ihr baden und dich von ihr tragen lassen wie von den unendlich tiefen, großen Weltmeeren.

Trauer entsteht durch die Interpretation „Das ist schade.“ Wie bei der Wut, erkennst du, dass das was passiert, nicht deinen Wünschen, Vorstellungen oder Bedürfnissen entspricht. Jedoch ist Trauer im Vergleich zur Wut eine viel weichere Kraft. Sie hilft dir mit Situationen angemessen umzugehen, die sich gänzlich deinem Einfluss entziehen. Denn genau dann ist Trauerkraft nützlich. In Momenten und Erfahrungen, die anders laufen, als du es dir wünschst und an denen du trotzdem nichts ändern kannst. Sei es der Tod oder Verlust eines geliebten Menschen, das „falsche Wetter“ an deinem freien Tag oder eine Fehl-Investition deines Unternehmens.
Sie hilft dir das anzunehmen, was ist und gleichzeitig dein Bedürfnis zu ehren.

In unserer Gesellschaft wird Trauer leider noch allzu sehr verspottet und als Trauender wird man oftmals bemitleidet. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ oder „Du bist doch kein Mädchen.“ habe ich in meinem Leben sehr häufig hören müssen. Die Folgen sind nicht selten dramatisch. Wenn sie fehlt, werden Menschen regelrecht zu Tyrannen und aggressiven Begleitern. Sie müssen zwanghaft alles aus dem Weg räumen, was ihnen missfällt. Ebenso destruktiv ist es, wenn Trauer die Kontrolle übernimmt. Der Melancholiker ist das Sinnbild eines solchen Menschen.

Dabei ist Trauer so essentiell. Du brauchst sie, um in die Tiefe tauchen und loslassen zu können. Um dein Herz der Liebe zu öffnen, Demut zu entwickeln und deine Hilflosigkeit anzuerkennen.
Um annehmen zu können, was sich gänzlich deiner Kontrolle entzieht.
Trauer ist die Kraft der Liebe und des Friedens. Namasté

Schämst du dich vor deiner Scham?

 

Scham ist die Kraft der Demut. Sie hilft uns bei der Entstehung des Ich-Gefühls ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Sie wird erzeugt durch die Interpretation „Ich bin falsch.“ bzw. durch die Frage: „Bin ich/mein Verhalten… richtig oder falsch?“ Sie impliziert in ihrer reinen Form alle anderen 4 Grundgefühle und hilft uns dementsprechend uns selbst wertzuschätzen (Freude), zu verändern (Wut), in Liebe anzunehmen (Trauer), oder dem Unbekannten in uns zu begegnen (Angst).

Wir brauchen die Scham, um zu erkennen, dass wir keine Superhelden sind. Wir brauchen sie um unsere Grenzen, Fehler und Schwächen einzugestehen, um Demut zu entwickeln und uns mit alldem auch selbst zu lieben. Menschen mit einer gesunden Scham sind charismatisch, haben keinen ideellen Anspruch an sich vollkommen oder Gott-gleich zu sein und können dementsprechend auch gut anderen Menschen ihre Fehler und Unzulänglichkeiten verzeihen und sie in Liebe annehmen. Das macht sie sympathisch und zu guten Vertrauenspartnern.

Doch leider wurde gerade dieses Gefühl in der Vergangenheit sehr stark missbraucht, weshalb wir eine sehr ambivalente Beziehung zur Scham entwickelt haben. Die schwarze Pädagogik lehrte Kindern bereits sehr früh wofür sie sich schämen sollten. Die Kirche mit ihrer Erbsünde belastete den christlichen Kultur-Raum sehr, worunter vor allem auch die Sexualität sehr gelitten hat. Heute spüren und sehen wir die Folgen der früheren Scham-Keule. Andere Extreme entwickelten sich. Narzissmus und ein grenzenloser Egoismus, der sich sehr stark im Neo-Liberalismus widerspiegelt, machen uns deutlich, was passiert, wenn die Fähigkeit sich zu schämen, abhandengekommen ist. Auch die Porno-Branche boomt wegen dieser überdimensionalen, unreifen Selbstdarstellung.

Zu viel Scham erzeugt dagegen Unsicherheit und überbordende Schuldgefühle. Menschen, die ständig alles richtig machen wollen und sich für all‘ ihre Fehler selbst-verurteilen, schneiden sich selbst ins eigene Fleisch und haben gelernt sich für Dinge zu schämen, die eigentlich vollkommen in Ordnung sind. Diesen Menschen würde es sicher gut tun öfter mal unverschämt zu sein. Und auch hier zählt die Balance, um ein gutes Gespür für sich selbst und den Umgang mit anderen Menschen zu entwickeln.

Welch‘ eine Freude, dass du da bist!

 

Freude hat als Kraft weltweit den Superstar-Status. Kaum verwunderlich, denn wir empfinden sie in den unterschiedlichsten Situationen, die allerdings alle eins gemeinsam haben: Die Realität und unser Bedürfnis stimmen überein. Wir empfinden das was passiert als „richtig“ oder „schön“, was in uns dieses luftige, fröhliche Gefühl namens Freude auslöst. Es ist das wundersame Gefühl, das uns strahlen lässt und die Schokoladenseite zum Vorschein bringt. Sie macht uns attraktiv für andere und lässt unser Herz höherschlagen. Schmetterlinge im Bauch, Freudensprünge, Frühlingsgefühle – ohne die Kraft wäre unser Leben wohl schwer wie Stein. Die Grund-Interpretation, die in uns Freude entstehen lässt, lautet „richtig/gut/schön.“. Mag es der wunderschöne Ausblick in den Alpen sein, das leckere Essen beim Italiener, die wärmende Berührung einer Freundin und alles andere, was ich erfahre und als richtig und gut empfinde. Mein Bedürfnis nach Freiheit, Anerkennung, Nähe, Sicherheit, Zugehörigkeit usw. wird erfüllt. Ich würdige und wertschätze das was passiert und stärke die Erfahrung, in dem ich mich freue. Freude entsteht im Grunde immer, wenn Wunsch und Realität übereinstimmen – allerdings nur, wenn ich es bewusst erkenne. Verpasse ich dagegen all‘ jene Momente in meinem Alltag (und davon gibt es täglich hunderte), weil ich sie längst als selbstverständlich abstemple, dann entsteht auch keine Freude mehr darüber.

In den meisten Fällen sind Menschen, denen es an Freudekraft fehlt, sehr missgünstige und nörgelnde Zeitgenossen. Sie sind sehr problemorientiert und sehen nicht mehr die Schönheit und Fülle um sie herum. Und entweder versinken sie selbst in Depressionen oder projizieren ihre Missgunst auf ihre Mitmenschen und ihre Umgebung. Hingegen sind Menschen, die zu viel Freude erzeugen ständig auf Wolke 7 anzutreffen. Sie erschaffen sich eine Scheinwelt, die fernab der Realität liegt. Oberflächlichkeit wird zu einem Zwang. Sie verdrängen alles Negative. Wirklich authentische, tiefe und langfristige Beziehungen sind ihnen nicht mehr möglich.

Freude ist ein Gefühl, nachdem wir uns alle sehnen. Jedoch kann sie nur authentisch gelebt werden, wenn wir auch die scheinbar negativen Gefühle wie Wut, Angst, Trauer und Scham als richtig anerkennen, sie integrieren und durch die tiefen Täler unserer Selbst hindurchgehen.

 

Ich wünsche dir alles Gute auf deiner ganz persönlichen Reise durch die wilde Welt der Gefühle!

Dawid